Du, die Rechtslage ist sogar außerordentlich transparent und orientiert sich an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Ich finde das Thema extrem spannend und begrüße die Entscheidung.
Da ich allerdings auf dem Handy tippe, reiche ich eine ausführliche Antwort etwas später nach und führe Dir/euch dort aus, warum alles in Ordnung ist und ich glaube, dass das Urteil und die Konsequenzen eine karthasische Wirkung erzielen kann.
- - - - - - - - - - - - - - -
Nachtrag:
So, jetzt sitze ich am Rechner und kann das kurz ein wenig ausführlicher darlegen.
Als rechtliche Grundlage, wie in den Artikeln sicherlich erwähnt, greift hier der
§ 315d, Absatz 1 Satz 3 StGB, in welchem steht, dass derjenige, wer sich im Straßenverkehr als KFZ-Führer mit (1.)
nicht angepasster Geschwindigkeit und (2.)
grob verkehrswidrig und (3.)
rücksichtslos fortbewegt, (4.)
um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen wird bestraft.
Wenn ihr den Text gelesen habt, wie dieser Lars, wenn er denn so heißt, am Kabel gezogen hat, dann wisst ihr, dass es sich nicht um die 20, 30, 50km/h Geschwindigkeitsüberschreitung alleinig dreht... und da bitte ich auch direkt, die emotionale Polemik rauszunehmen.
"Der Lars" soll über die Autobahn mit knapp der 2,5fachen Geschwindigkeit gefahren sein - 230 bei 100 (kann jedem mal passieren, ist auch okay - gibt drei Punkte, drei Monate und ein bisschen Geld -> IMMER NOCH!)
Aber: Er hat zudem rechts überholt, auch über den Standstreifen (meine ich!? Ich hab das gestern gelesen und finde den Artikel nicht mehr..) und zeigte somit neben der nicht angepassten Geschwindigkeit zu (1.) die grobe Verkehrswidrigkeit zu (2.). Rechts überholen..., kann auch mal passieren...
Dann geht der Spass aber weiter..., also wir sind schon lange weg von dem "Ich reiss mal KURZ am Kabel und zieh den Hahn auf!", das möchte ich hier betonen!
Innerstädtisch sind wir bei 129km/h (irgendwo hatte ich auch was von einer 30er Zone gelesen, aber zu seinen Gunsten bleiben wir einfach bei den erlaubten 50km/h).., er hält sich also daran, nur knapp das 2,5fache zu schnell zu sein ;-) und zeigt Beständigkeit.
Innerstädtisch flüchtet er dann vor dem Blaulicht, welches ihn anhalten will und ballert dann noch bei Rot über eine Kreuzung.
Und somit sind wir deutlich in der (3.) Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern.. und wenn du jetzt beispielsweise mit deiner Frau und deinen beiden Kindern,
@3nno, von rechts in den Kreuzungsbereich eingefahren wärt, kannst du dir ausmalen (bei 129km/h und einer spitzen Geometrie des Bikes), ob du oder dein Kind auf der Rückbank da noch heile rausgekommen wärt. Ich wage sogar die These aufzustellen, dass da 4-5 Menschen bei draufgehen werden - zumindest zeigt mir das meine berufliche Erfahrung.
Wir haben also 3 von 4 Tatbestandsmerkmale erfüllt und das (4.) ist obligatorisch zu bejahen in diesem Fall und auch indiskutabel: die höchstmögliche Geschwindigkeit - jetzt auch über einen längeren Zeitraum..
Haken wir den 315d als begründet und ausreichend transparent dargelegt ab.
Jetzt nimmt man uns das Spielzeug (in diesem Fall aber wirklich eindeutig eher die Waffe!) nach
315f StGB ab. Ich verstehe, dass einem da Angst und Bange werden kann - allerdings relativiert sich das, wenn man in die Schweiz und deren Voraussetzung zur Enteignung bei Rasern rüberschaut.
Der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, oder auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip, orientiert sich an den Lebensbedingungen der Beschuldigten. Sprich, wenn jemand nur seinen Octavia RS Kombi als Familienbomber hat, selbst Vater von zwei Kindern ist und alleiniger Brötchenverdiener und den Job 49km entfernt in Hintertupfinghausen hat, dann nehmen die dem Kollegen auch nicht das Auto ab.
Wenn er aber einen Corsa für die Familie hat und nebenbei noch ein Mopped, mit welchem er am Kabel zieht und das oben gezeigte Verhalten im Verkehr aufweist, dann schon.
Wo wird also die Grenze gezogen?
Zum Einen:
In der Verhältnismäßigkeit. Das deutsche Strafrecht ist keine primär sanktionierendes, sondern auf Resozialisierung ausgerichtetes Gesetz. Das heißt, im Rahmen der Urteilsfindung berücksichtigt der Richter alle deine Gesamtumstände.. (wenn du auf dem Weg zu deiner Frau gewesen wärst, welche dich panisch angerufen hat, weil sie auf den hochschwangeren Bauch gefallen wäre, die Fruchtblase geplatzt ist, sie vollkommen hilflos dich auf der Arbeit nur am Telefon angeschrien und um Hilfe gerufen hat - kann man auch Entschuldigungsgründe annehmen, was die oben aufgezeigten Rechtsfolgen deutlich abschwächt..). Und im Rahmen dieser Berücksichtigung ist jedes Urteil eine absolute Einzelfallsentscheidung.
Zum Zweiten:
In der Dimension des Rechtsbruchs. Ich finde den Artikel leider nicht mehr. Der ging wesentlich mehr in die Tiefe als die beiden obig verlinkten. Da hättet ihr wahrscheinlich selbst die Fragen gar nicht mehr gestellt.
Wenn man über die Dauer und Intensität der regelbrechenden Teilnahme am Straßenverkehr nachdenkt, dann hat der "Lars" hier ziemlich lange, ziemlich viel Scheisse gebaut.. und darauf zielen die neuen Paragraphen in 315StGB primär ab. Nicht auf den Landstraßenhelden, der mal für 500 Meter auf der langen Geraden oder im kurvigen wenig bis gar nicht befahrenen Bergischen die Kuh fliegen lässt. Hier wurde das Verhalten in die Innenstadt getragen, rücksichtslos das Unfallrisiko anderer Verkehrsteilnehmer aus selbstsüchtigen Motiven (Ich muss vor den Cops abhauen) angenommen und letztlich wurde er dafür ordnungsgerecht abgeurteilt.
Letztlich:
Jede Rechtsnorm, wie beispielsweise der Entzug der Fahrzeuge als tatnotwendiges Mittel, beinhaltet auch den Spielraum von Mindermaßnahmen. In einem minder schweren Fall also auch eine mögliche Option, dass das Bike auf eigene Kosten nur für 6 Monate nicht gefahren werden darf - über den Sommer... einem Richter sind in der Entscheidung so keine großen Grenzen gesetzt...
Dieses Urteil ist aber aus meiner jetzt etwas ausführlicheren Darlegung einwandfrei.
Ich liebe meine Familie und muss so einen Trottel nicht auf mich zufliegen kommen sehen, wenn ich gerade nach Hause fahre... glücklich... bis er einschlägt.