Wer für Moralpredigten und Wirtschaftstheorie nichts übrig hat, sollte diesen Beitrag überspringen.
Bei meinem allgemein bekannten Moralgedöns bin ich sicher kein Freund von Ausbeutung. Dennoch bin ich bestimmt auch kein prinzipiell wirtschaftsfeindlicher Geselle. Was ich in der Wirtschaft allerdings zunehmend vermisse, ist eine gewisse gesellschaftliche und soziale Verantwortung. Die hat es in der guten alten Zeit wohl eher gegeben als heute. Das könnte an der zunehmenden Bedeutung der Aktienmärkte liegen. Die Vorstände entscheiden nach „Aktienlage“ (nicht Aktenlage). Wie wir alle wissen, ist das Hemd näher als die Jacke…
# Moralpredigermodus an #
Shareholder Value ist in der Welt der Unternehmensbeteiligungen absolute Pflicht. Sinken die Profite, steigen die Aktionäre aus und der Laden wird geplättet. Und zwar nicht, weil die eigentliche Leistungsfähigkeit nicht mehr gegeben ist (die wird ja durch sinkende Aktienkurse nicht direkt vermindert), sondern weil plötzlich kein Geld mehr da ist. Die gesamte Wirtschaft funktioniert längst über Kredite und Spekulation. Der Glaube an Erfolg und Geld ist wichtiger als die tatsächliche Leistung. Starker Glaube kann an der Börse Berge bewegen. Schwindet der Glaube, platzen ganze Wirtschaftszweige (siehe Neuer Markt vor und nach dem Crash von 2000/2001). Das Geld, das die Firmen und ihre Gründer anfangs reich gemacht hat, haben sie nicht mit Umsätzen verdient, sondern mit Börsengang und Aktienverkäufen. Die Branche hat geboomt und alle wollten davon profitieren. Aktienwerte explodierten und es ging aufwärts. Die Erwartungen wurden dadurch größer als die tatsächlichen Möglichkeiten, „echtes“ Geld aus Umsätzen zu verdienen. Die Gewinne bleiben (folgerichtig) hinter den Erwartungen zurück, Aktien wurden verkauft, Die Kurse sanken, noch mehr Aktien wurden verkauft… Das Schrumpfen der Unternehmenswerte führte zu Zahlungsschwierigkeiten, die Unternehmen gingen Pleite. Bums, der neue Markt war Geschichte.
Leider lässt sich daraus auch ableiten, dass die Deutsche Bank trotz Rekordgewinnen Stellen streichen muss. Klingt komisch, is aber so. Tut sie es nämlich nicht, laufen die Aktionäre zunächst Sturm und dann weg. Leider nehmen sie dabei ihr Geld mit (Aktienverkäufe). Was das für die Deutsche Bank bedeuten kann, wurde oben beschrieben. Als Indiz für die Richtigkeit dieser These kann der Kursanstieg auf die Ankündigung der Entlassungen gewertet werden.
Die allseitige Profitgier ist Motor der Wirtschaft und ihr Killer zugleich.
# Moralpredigermodus aus #
# Professorenmodus an #
Die Rohöl- und Benzinpreise sind aus rein spekulativen Gründen in die Höhe gegangen. Angst auf der einen und Profitgier auf der anderen Seite - fertig ist die Preisspirale. Dabei verdienen sich die Spekulanten im Moment eine goldene Nase.
Das Benzin, das wir heute tanken, ist vor einem runden Dreiviertel-Jahr auf dem Rohölmarkt gewesen. So gesehen ist der aktuelle Benzinpreis keine Reaktion auf den Preis für das verwendete Rohöl, sondern auf den Preis für das nachzukaufende Rohöl. Die Verbraucherverbände springen im Dreieck und beschweren sich lautstark und sagen, dass daher die Benzinpreise auch erst in einem Dreiviertel-Jahr steigen dürften. Bei Kraftstoffen haben wir eine geradezu systembedingte Abzocke: Oligopol in einem Markt mit geringer Preiselastizität der Nachfrage = Wenige Anbieter und kaum Nachfragerückgang bei Preissteigerung. Sieht man von der Allgemeinen Ausnutzung dieser „normalen“ Umstände mal ab, ist die momentane Preiserhöhung an den Zapfsäulen aus betriebswirtschaftlicher Sicht keine zusätzliche Abzocke: Denken wir uns mal unseren Hass auf die Ölmultis weg und tun so, als ginge es um Orangensaft. Aktuell muss das Rohöl teuer eingekauft werden. Dazu brauchen die Gesellschaften mehr Geld. Und zwar jetzt. Dieses Geld müssen sie also auch jetzt mehr einnehmen. So weit zum Prinzip, das die Ölgesellschaften moralisch ein wenig entlastet.
Ob sie es dabei in der Praxis vielleicht ein wenig übertreiben? Ein Rechenbeispiel: Gehen wir in den Januar 2005 zurück. Benzin kostete etwa 1,00 € je Liter und der Rohölpreis lag bei 43,5 $ je Barrel. Im Juli 2005 lag der Benzinpreis um 1.20 € je Liter und der Rohstoffanteil am Preis bei rund 15 Cent. Das Barrel Rohöl kostete 58 $. Die Rohstoffkosten sind also von 43,5 $ um 33,3 % auf 58 $ gestiegen. Daraus lässt sich ein Rohstoffkostenanteil von 11,25 Cent je Liter für den Januar ableiten. Das heißt, die Rohstoffkosten sind von Januar bis Juli um 3,75 Cent je Liter Benzin gestiegen. Der Preis hätte also in einer einfachen Betrachtung nur um diesen Betrag und die entsprechende Umsatzsteuer, also um insgesamt 4,35 Cent, steigen dürfen. Damit wäre ein Preis von 1,0435 € gerechtfertigt gewesen. Natürlich steigen mit den Rohölkosten auch noch andere Kosten in der Leistungskette (z.B. Transportkosten), die eine weitere Erhöhung rechtfertigen. Ob dies aber die zu 1,20 € je Liter fehlenden 15,65 Cent erklären kann? Ich glaube, da steigert nicht nur der Rohölspekulant seinen Profit.
Auffällig ist allerdings, dass es bei einer Preissenkung auf dem Rohölmarkt deutlich länger dauert, bis die Preise an den Zapfsäulen ebenfalls sinken. Das wird damit begründet, dass das aktuelle Benzin ja noch aus teurem Rohöl gewonnen wurde. Dies widerspricht der Argumentation bei Preissteigerungen und ist somit die wirkliche Sonderabzocke. Und in der Regel sinken die Kraftstoffpreise dann auch nicht in gleichem Maße, wie die Rohölpreise. Das liegt daran, dass die Preisänderungen den Verbrauch nur relativ schwach beeinflussen und die Anbieter es sich leisten können, die Preise hoch zu halten. Schließlich hat der Markt bewiesen, dass die Preise gezahlt auch werden.
Der Staat hat nicht so viel von den Preiserhöhungen, wie man im ersten Moment denken mag. Die Mineralölsteuer wird nicht nach dem Preis, sondern nach der Menge erhoben. Wird das Benzin teurer, profitiert der Staat zunächst über die Umsatzsteuer. Geht nun der Benzinverbrauch etwas zurück, verliert der Staat Einnahmen aus Mineralölsteuer. Spielen wir mal mit einer Preiserhöhung von 20 % und einem Verbrauchsrückgang von 5 % (das soll laut Statistik der passende kurzfristige Größenzusammenhang sein). Die Mineralölsteuer sei 66 Cent je Liter (kommt etwa hin), die Öko-Steuer 15 Cent je Liter und der Anfangspreis 116 Cent je Liter. Anfangs bekommt der Staat je Liter 66 Cent Mineralölsteuer, 15 Cent Ökosteuer und 16 Cent Umsatzsteuer. Also 97 Cent je Liter. Bei einer Preiserhöhung um 20 % auf 139,2 Cent je Liter bekommt der Staat je Liter noch immer 66 Cent Mineralölsteuer und 15 Cent Öko-Steuer, aber 19,2 Cent Umsatzsteuer. Zusammen also 100,2 Cent je Liter. Es wird aber kein ganzer Liter verkauft, sondern durch den Verbrauchsrückgang um 5 % nur 950 ml. Von den 100,2 Cent Steuereinnahmen müssen wir also noch 5 % abziehen. So bleiben 95,19 Cent. In diesem Fall verliert der Staat also 1,87 % der Steuern aus dem Kraftstoffverkauf. Neutral für den Staat würde es ausgehen, wenn bei einer Preissteigerung von 20 % der Verbrauch nur um 3,2 % zurückgehen würde.
Wenn ich mich verrechnet haben solle, bitte ich um Hilfestellung und Nachsicht.
# Professorenmodus aus #
# sarkastischer Moralpredigermodus an #
Was wollte ich damit nun eigentlich sagen? Ach ja, die Welt ist im Großen und Ganzen schlecht und kompliziert. Die Masse verhält sich gleich und folgt eher individuellen Interessen als dem Gemeinwohl. Das mag daran liegen, dass man die Sintflut erst dann erwartet, wenn man selbst es schon nicht mehr miterleben muss. Und die Nachfahren werden sich schon etwas einfallen lassen um das Schlimmste zu verhindern, schließlich macht die Wissenschaft ja stetig Fortschritte… Warum also Stress machen und Mäßigung üben?
# sarkastischer Moralpredigermodus aus #
Gruß