So, dann war es mal wieder soweit.
7 Tage auf einer BMW R1200GS die neuesten Reifen testen.
Die Kollegen neben meiner Wenigkeit:
Jens (Chef von
http://www.mopedreifen.de )
Dagmar (OM bei SAP)
Roger (Admin von
http://www.gs-world.eu)
Hans (Polizist und Kuhtreiber)
Durchgeführt von Jens Thiel in Zusammenarbeit mit den Herstellern der gleich vorgestellten Reifen inkl. dem vorgeschriebenen Luftdruck.
Hier möchte ich erst mal Danke sagen an Jens der mich nun zum wiederholten Mal eingeladen hat an so einer Aktion teilzunehmen.
Als Chef der Mopedreifen Profi GmbH und somit wahrscheinlich der größte Motorradreifen-Onlinehändler für Endverbraucher in Deutschland treibt er extrem viel Aufwand um seinen Kunden eine echte Bewertungsplattform anzubieten.
So wie ich ihn in den letzten Jahren kennen gelernt habe hat er mit Sicherheit fast alle aktuellen Reifen auf aktuellen Fahrzeugen selbst „erfahren“.
Schnell ist er zudem auch noch, somit kann man sich auf seine Aussagen zu einem Grenzbereich genauso verlassen wie zu den Alltagsfragen nach „welchen Reifen für welches Moped?“
Was gibt´s also zu tun?
Verschleißmessungen über ca. 3.000 Km inkl. Autobahn, Landstraße, Pässe mit engen und schnellen Ecken, Handling, Fahrverhalten, Gripniveau auf trockener sowie nasser Fahrbahn „erfahren“ und sich einen persönlichen Eindruck als Endverbraucher verschaffen der in den Tests der Zeitschriften teilweise doch zu wissenschaftlich ausfällt.
Zu fahren sind in alphabetischer Reihenfolge:
Bridgestone T30 (2,5 – 2,9)
Continental Trial Attack 2 (2,5 – 2,9)
Heidenau Scout K60 (2,5 – 2,9)
Metzeler Tourance Next (2,2 – 2,5)
Micheln Anakee 3 (2,1 – 2,4)
Freitag morgen um 08:00 Uhr ist Treffen bei BMW Kohl in Aachen angesagt.
Hier stehen dann die GS´ en bereit.
Von hier aus geht´s erst mal auf die Autobahn um knappe 700 Km zur ersten Bleibe zu überbrücken. Ich hasse Autobahn braten.
Da neue Reifen ja eigentlich alle gut sind (dachte ich) und alle 100 Km das Fahrzeug getauscht wird ist es erst mal egal wer welchen Reifen zuerst einfährt, ich ziehe das Heidenau-Streichholz.
Scout K60, der einzige Diagonalreifen im Test.
Er hat aufgrund der Konstruktion mit diagonal, übereinander liegenden Gürteln den riesen Vorteil das er im steinigen Gelände der durchschlagskräftigste ist.
Gleichzeitig in Verbindung mit den ca. 12mm starken Profilblöcken haben wir hier wohl den Reifen der am besten zur Ligurischen Grenzkammstraße passt.
Kurzes Resümee zu ihm auf der Autobahn?
• Lenkerbewegungen ab ca. 100 km/h
• Pendeln um die Hochachse ab ca. 140 km/h
• Sehr Spurrillenempfindlich
• Unangenehme Laufgeräusche ab 100 km/h die oben rum lauter werden.
• Eigendämpfung = Null -> Bei Fahrbahnabsätzen verlieren beide Reifen den Kontakt zur Straße.
Fahrtechnisch alles unbedenklich, für mich aber nicht aktzeptabel
Als ich später auf einem anderen Moped saß konnte ich diesen Reifen neben mir unter den Hintern der Kollegen raushören und wusste somit wer gerade auf ihm Rodeo reiten durfte.
Die nächsten 100 Km saß ich auf dem Metzeler Next.
• Lenkerpendeln, extrem wenig
• Pendeln um die Hochachse, ebenfalls wenig,
• Spurrillenempfindlichkeit ist vorhanden aber unbedenklich
• Laufgeräusche von 60 bis 100 km/h die danach nicht lauter sondern vom Fahrtwind übertönt werden
Weiter geht´s auf dem Anakee 3
Fährt sich auf de Bahn für mich genau wie der Next. Auch was den Geräuschpegel angeht.
• Lenkerpendeln, extrem wenig
• Pendeln um die Hochachse, ebenfalls wenig,
• Spurrillenempfindlichkeit weniger als beim Next aber unbedenklich
Umstieg auf Trial Attack 2
Ein Semi-Enduroreifen wie der Next und Anakee aber von der Profilgestaltung her für mich eher ein reiner Straßenreifen.
• Lenkerpendeln, fast nix
• Pendeln um die Hochachse, wenig ab ca. 160 km/h aufwärts
• Spurrillen? Egal, die jucken den Conti nicht.
• Laufgeräusche? Keine. Endlich Ruhe im Helm
So schön kann also Autobahn fahren sein. Hatte ich schon erwähnt? Ich hasse die AB.
Bleibt also nur noch der T30
Als reiner Straßenreifen macht er genau das was er soll, fahren auf der Autobahn wie an der Schnur gezogen.
Fast identisch wie der Conti bis auf die Sache mit dem Pendeln bei sehr hohen Geschwindigkeiten, da bleibt der Brückenstein einfach ruhig. Klasse Reifen einfach.
Endlich am ersten Etappenziel angekommen wurde es dann auch ein hitziger Diskussionsabend.
Am nächsten Morgen wurde wieder das Kamerateam aktiviert und die Vorstellung der Teilnehmer sowie der Reifen professionell auf den Speicherchip gebrannt.
Und nu? Die nächsten Tage gab es nur noch Kurven.
Eine Verbindungsetappe nach Österreich zum Triebener Tauernpass.
Weiter über die Tschechei mit der Fähre über den Moldausee
nach Italien in die Nähe der Kaiserjägerstraße bei Trient in Südtirol.
Hier wurden zwei Tage verbracht und die umliegenden Pässe in Angriff genommen.
Danach zurück nach Kaprun in Österreich in ein cooles Motorradhotel mit Oldtimer Privatmuseum. Von dort am nächsten Morgen im strömenden Regen mit Stop in Nürnberg um die Klamotten zu trocknen zurück nach Aachen.
Da ich als Gebückter nur auf der Renne unterwegs bin sind die nächsten Tage nun also mein zu Hause.
Kurven satt, enge und weite Radien, Serpentinen in denen ein normaler PKW zweimal ansetzen muß um rum zu kommen, das ganze gekrönt mit nassen Abschnitten in den Morgenstunden lässt das Racerherz vor lauter Erwartung schneller schlagen.
Die BMW packt ihr Wohlfühlempfinden noch oben drauf. Breiter Lenker, breite Sitzbank und ein extrem gutes Fahrwerk passen einfach in allen Belangen.
Anhand der Naviaufzeichnung haben wir ca. 1.400 Km auf der AB und 1.600 Km auf allen anderen Straßen abgespult.
Eins kann ich vorweg sagen, allen Reifen mangelt es nirgendwo auf der Straße an Grip wenn man sich noch im Lebensbejahenden Modus bewegt.
Die erzwungenen Rutscher gab es wenn überhaupt nur im Extremmodus, diese wurden auf vorher abgesicherten Streckenabschnitten bewusst herbei geführt und treten im Regelfall auf der Straße nicht auf. Das gleiche gilt für die Haftung bei Nässe.
Ich bin ja Regenreifen auf der Renne gewohnt, was aktuelle Straßenreifen aber heute im Nassen zu leisten vermögen in Verbindung mit diesen hohen Laufleistungen grenzt schon an technischem Wahnsinn. Es geht immer mehr als man denkt.
Ich lösche jetzt alle Erfahrungen von der AB (ja, ich hasse sie) und fange bei Null an.
Fange ich wieder mit unserem Sorgenkind an, dem Scout K60.
Vom Aufbau und Einsatzzweck her scheint er in diesem Quintett keine Chance gegen die Semi-Enduro und den Straßenreifen zu haben.
Wie auf der AB macht er hier genauso schöne Geräusche und behält das indifferente Fahrverhalten auf Spurrillen bei.
Die BMW wirkt etwas schwerfällig beim Einlenken, bei Kurven um die 80-100 km/h fällt er weiter in die Kurve als gewünscht, jedes Mal muß ich die BMW über den Lenker wieder zurück auf den Kurs holen oder wenn möglich den Gashahn spannen damit die Linie nicht zu eng wird.
Gibt es zudem noch Löcher oder sonstige defekte Asphaltstücke bei diesen Geschwindigkeiten dann wird der Scout zum Glücksspiel. In Schräglage ist das ESA der BMW dann nicht mehr in der Lage den Reifen in der Spur zu halten. Der Scout verliert aufgrund der nicht vorhandenen Eigendämpfung sowie des höheren Gewichts der Reifen den Kontakt zum Boden und bringt die Fuhre aus der Umlaufbahn.
Bei zügiger Fahrweise wird dann die Fahrbahn schnell zu schmal um den Scout in der Spur zu halten. Sämtliche Einstellungen des ESA brachten keine Besserung.
Im engeren Geläuf bei niedrigeren Geschwindigkeiten ist der K60 zwar etwas angenehmer zu fahren, aber auch hier macht es mir keinen richtigen Spaß.
Es wirkt alles etwas träge, Lenkimpulse werden später umgesetzt als gewünscht, dann aber mehr als nötig und somit ist man wieder gezwungen zu korrigieren.
Jens und ich haben uns zwischendurch den Scout dann mal richtig vorgenommen.
Er auf Conti gab vor und ich musste nachlegen. Da der Chef als Rennfahrer nicht gerade langsam ist hatte ich also alle Hände voll zu tun die Fuhre mit dem Scout halbwegs sicher um das enge sowie weite Geläuf zu brennen.
Was man dem K60 lassen muß, auch bei ausgeknipstem Hirn kann der Reifen mehr als erwartet. Das ganze zwar mit wesentlich mehr Kraftaufwand, Linienkorrektur und Konzentration als bei den anderen vier Kollegen, eine Gripproblem auf diesem schlaglochfreien, teilweisem feuchten Asphaltabschnitt bestand aber nie. Ich muß sagen das ich das nicht erwartet hatte.
Jetzt haben wir ja noch die anderen Reifen die auf der Straße allesamt angenehmer zu fahren sind als der K60.
Metzeler Next und Michelin Anakee 3 fahren sich für mich in den Alpen beide ähnlich.
Draufsetzen, wohlfühlen, fertig. Egal ob weit oder eng, leicht am Lenker ziehen und schon geht´s die Ecke rum.
Solange die Straßen glatt sind halten beide ihre Linie und nachkorrigieren ist nicht nötig.
Besser als der Next ist der Anakee wenn´s auf schlechtem Belag weiter geht, hier habe ich ein besseres Gefühl mit mehr Ruhe im Gesamtpaket weil der Michelin die bessere Eigendämpfung hat.
Von den Laufgeräuschen zwischen 60 und 100 km/h mal abgesehen sind beide Reifen eine Empfehlung wert wenn es auf große Tour über mehrere tausend Kilometer mit Gepäck gehen soll.
Ich hatte das Vergnügen mit Roger eine „Tornante 36“ Abfahrt inkl. Fahraufnahme zu bewältigen. Vorab, nein. Die wird mit Sicherheit nicht veröffentlicht.
Jenseits aller Hirnwindungen haben wir uns der Berg herab fallen lassen, er auf dem T30 und ich mit dem Next.
Oben auf dem Paß waren es 8 und unten 25 Grad. Für die beiden Absolventen absolut kein Problem, das ASC sowie das ABS der BMW meldeten sich ab und an und Roger vergrößerte den Sicherheitsabstand später auf gute 5 mtr.
Die Reifen haben danach nur milde gelächelt und geschrieen
„Nochmal“
Zum Trial Attack 2 von Continental.
Ich erwähnte ja schon dass mir das Profil optisch schon sehr straßenorientiert rüber kommt.
Genauso fährt er sich auch, nämlich wie ein Straßenreifen.
Extrem neutral auf der Straße, ganz ganz ganz leicht am Lenker ziehen und die BMW fährt dahin wo sie soll. Keine Korrektur ist mehr nötig, Spurrillen, Querfugen oder sonstige Ausbrüche quittiert er mit dem berühmten Stinkefinger. Ein extrem guter Reifen für alle die hauptsächlich auf der Straße angasen und der Gebücktenfraktion zeigen können was eine Enduro auf einer schmalen 150er Aspalttrennscheibe so alles kann.
Was soll ich den nun noch zum T30 von Bridgestone schreiben?
Als reiner Straßenreifen konzipiert und nun auf Endurogröße adaptiert kommt er mir als reinem Racetrackfreak am meisten entgegen.
Ich könnte hier jetzt den Text zum Conti wiederholen mit einem einzigen kleinen Unterschied -> hier muß ich nicht ganz ganz ganz leicht am Lenker ziehen.
Nein, hier muß ich nur denken wo die Reise hingehen soll.
So eine extrem handliche und stabile Fahrmaschine wie die R1200GS in Verbindung mit dem T30 ist mir bis dato auf der Straße noch nicht unter gekommen.
Zwischendurch gab es noch für alle Reifen den Schottertest.
Hier mussten die fünf Gummis zeigen was sie dort auf dem Kasten haben.
Abgesperrte 100 mtr. Schotterweg mussten vom Stand aus durchbeschleunigt werden.
Selbst hier konnte der Scout K60 mit seinem grobstolligem Profil nicht punkten.
Wer sich oben das Bild seines Profils anschaut kann sehen warum. Die Lauffläche in der Mitte ist ein breiter, nicht unterbrochener Gummistreifen der genau so wenig Traktion auf Schotter bietet wie der Gummi der anderen Kollegen. Alle fünf Reifen lagen in einer Spanne von 0,5 Sekunden, also pillepalle.
Da sich drei der fünf Teilnehmer zu 100% für den T30 aussprachen, unsere Dagmar sich aber aufgrund dessen extremer Handlichkeit für den Conti als Favoriten entschied bleibt jetzt nur noch eine Aufdröselung des Verschleißverhaltens übrig.
Die Messungen im Neuzustand wurden direkt beim BMW Kohl in Aachen vorgenommen.
Mit der abschließenden Profiltiefenmessung nach knapp über 3.000 Km ergibt sich aus unserer Sicht, prozentual von der Ausgangsprofiltiefe bis zur gesetzlichen Mindestprofiltiefe folgende Reihenfolge:
1. Michelin (Verschleiß 17%) mögliche Laufleistung ca, 9.500-10.00KM
2. Continental (Verschleiß 19%) mögliche Laufleistung ca. 8.000 KM
3. Heidenau (Verschleiß 29,7%) mögliche Laufleistung ca. 7.500 KM
4. Metzeler (Verschleiß 28,5%) mögliche Laufleistung ca. 6.500 KM
5. Bridgestone (Verschleiß 27,3%) mögliche Laufleistung ca. 5.000 KM
Alle Angaben beziehen sich natürlich auf unseren Test mit extrem vielen Passfahrten, absichtlichen Bremsmanövern im ABS-Regelbereich vorne sowie hinten und harte Beschleunigungsvorgänge auch im ersten Gang in engen Kehren wo das ASC die BMW wieder zurück auf den Boden der Tatsachen holen musste.
Ich schätze das im Normalbetrieb die Laufleistungen locker höher ausfallen als hier angegeben.
Was ist den nun mein Fazit aus dieser einen Woche Reifen schinden?
Jeder, aber auch jeder Reifen hier hat seine Daseinsberechtigung.
Ich aus der Stummellenkerfraktion favorisiere für meinen Einsatzzweck (Nur Straße und das dann aber bitte zackig) den Bridgestone T30 vor dem Conti Trial Attack 2.
Auch auf der Straße ist mir der Verschleiß eines Reifens vollkommen egal wenn dafür alle meine anderen Anforderungen erfüllt werden.
Gehe ich auf normalem Geläuf auf große Tour mit Gerödel nebst Frau dann wird es der Michelin Anakee sein, hier hab ich die höhere Laufleistung in Verbindung mit einer besseren Rückmeldung als beim Metzeler Next.
Fahre ich irgendwann mal auf eine Asienreise und muß extrem unwegsame Gefilde durchqueren dann bleibt mir nur der Heidenau K60.
Dem vertraue ich auf mit Furchen durchsäten nicht asphaltierten Straßen einfach mehr zu als den anderen Kollegen.
Das war´s dann erst mal von mir mit meinem Bericht vom Reifentest 2013 in Verbindung mit mopedreifen.de
Nächstes Jahr geht´s dann weiter mit dem Vergleich der 120/190-55 Pellen.
Ist ein Supersportreifen wirklich nötig oder tut es auch ein Tourensportler?
Ihr wisst ja, die S1000RR Naked steht in den Startlöchern.